Beitragserhebung - Anwendung des Erschließungsbeitragsrechts

Anwendung des Erschließungsbeitragsrechts

 

Mit dem Urteil (Az: 9 C 5.06) des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juli 2007 wurde erstmalig und letztinstanzlich präzisiert, unter welchen Voraussetzungen in den neuen Bundesländern Erschließungsbeiträge bzw. Straßenbaubeiträge erhoben werden müssen. Das Gericht hat dabei zu bislang nicht geklärten und umstrittenen Auslegungsfragen im Zusammenhang mit § 242 Abs. 9 Baugesetzbuch (BauGB) Stellung genommen.

Im Ergebnis stellt das Bundesverwaltungsgericht u.a. fest, dass für unbefestigte Straßen, die nicht irgendwann vor dem 3. Oktober 1990 entsprechend einem „technischen Ausbauprogramm“ oder den „örtlichen Ausbaugepflogenheiten“ hergestellt wurden, Erschließungsbeiträge erhoben werden müssen. Gemäß § 129 Abs.1 BauGB tragen die Gemeinden mindestens 10 % des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes selbst. Der Anteil der Beitragspflichtigen beträgt folglich (entsprechend den Festlegungen in § 4 der Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde) 90 %.

 

In vergangenen Jahren wurde von der Gemeinde Fredersdorf-Vogelsdorf die Rechtsauffassung vertreten, dass auch das grobe Herrichten einer unbefestigten Straße (durch Schieben/Hobeln) ausreicht, um von einer den „örtlichen Ausbaugepflogenheiten“ entsprechend hergestellten Straße ausgehen zu können und somit die (für die Beitragspflichtigen günstigeren) Straßenbaubeiträge nach dem Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg (KAG), wo der Anteil der Beitragspflichtigen in Anliegerstraßen laut Satzung nur 75 % beträgt, erheben zu können.

Dieser Rechtsauffassung wurde durch das BVerwG in seinem Urteil widersprochen, indem entschieden wurde, dass Ausbaugepflogenheiten einen Grundbestand an kunstmäßigem Ausbau voraussetzen. Das grobe Herrichten natürlicher Geländegegebenheiten ist hierfür nach Ansicht des BVerwG nicht ausreichend.

 

Die Gemeinde muss daher z.B. durch entsprechende Baugrunduntersuchungen und Dokumentationen feststellen, ob die betreffende Straße überhaupt jemals vor dem 3. Oktober 1990 kunstgemäß ausgebaut wurde oder ob es sich nur um eine festgefahrene „Sandpiste“ handelt. In den Verkehrsanlagen wo letzteres der Fall ist, war die Straße im Rechtssinne noch nie erstmalig hergestellt worden mit der Folge, dass die Ausbaukosten nach der Erschließungsbeitragssatzung mit einer  Anliegerbeteiligung von 90% zu verteilen sind.

 

Die Gemeinde hat hinsichtlich der Erhebung von Erschließungs- und Straßenbaubeiträgen keine Ermessensspielräume. Die Gemeinde ist folglich auf Grund dieses Urteils des BVerwG aufgefordert, für alle neuen und auch für bereits in den vergangenen Jahren fertig gestellte Straßenbaumaßnahmen (bei denen die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist) zu prüfen, ob anstelle der bisherigen Straßenbaubeiträge nach Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg (KAG) nun Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch (BauGB) zu erheben sind.

 

Die Gemeinde prüft vor der Beitragserhebung grundsätzlich alle Möglichkeiten zur Ermittlung von Tatsachen, die belegen, ob in der Straße zu irgendeinem Zeitpunkt (vor dem 3. Oktober 1990) ein kunstmäßiger Ausbau stattgefunden hat.

Im Regelfall wird jedoch davon auszugehen sein, dass die bisher noch unbefestigten Straßen als erstmalige Herstellung gemäß Baugesetzbuch (BauGB) zu bewerten sind und somit Erschließungsbeiträge in Höhe von 90 % der beitragsfähigen Kosten erhoben werden.

 

  
http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?ent=110707U9C5.06.0